oder: gewaltig steigt des Meisters Kraft, wenn er mit Hydraulik schafft.
Was in der Elektronik die Kondensatoren sind, sind in der Mechanik die Kugellager. Verschleißteile mit ablaufender Lebenserwartung, mit den Jahren meist kaputt. Hat man viel mit alten Maschinen zu tun, sieht man auch viele Kugellager die reif für den Schmelzofen sind.
Von Spindellagern aus der Bohrmaschine über Spannrollen oder Radlager am Auto bis zu handgroßen RiKuLas aus dem Schlepper habe ich schon vieles in der Hand gehabt. Eigentlich wäre eine separate Schrottekiste für „Lagerschrott“ einrichten – im Jahr wechsel ich ein paar dutzend Lager aus.
Weil ich das rumgedresche mit dem Vorschlaghammer satt bin und es auch nur bedingt fachgerecht ist, musste also eine Hydraulikpresse her. Nun gibt es solche Geräte auf eBay unter oder knapp über 100€ zu bekommen, feinste Fernostqualität.
Auf die Nachfrage beim örtlichen Stahlbauer dass für den Preis gerade mal passendes U-Profil den Besitzer wechselt, noch mal die Bilder angeschaut und tatsächlich: Der Chinese benutzt Rechteckrohre und dünnere Profile um Gewicht und damit teuer Geld zu sparen. Auch die Bauart mit dem Wagenheber kam mit nur bedingt entgegen, da muss man im Gestell pumpen und die Pumpe fährt mit nach unten. Suboptimal.
Materialliste:
Wagenheber 12to -> Amazon/eBay
Hochdruckpumpe aus Richtsatz -> ebenfalls online geordert
Schlauch, Verbinder, Manometer -> lokaler Hydraulikhandel (den ich erst viel zu spät gefunden habe)
U-Profil Stahl 80x45x6, 8m Länge -> Stahlhandel/Metallbauer – im Internet sehr teuer
M16 Bolzen in 8.8 oder besser -> guter sortierter Baumarkt (Bauhaus und Obi haben sowas nicht) oder wieder Stahlvertretung
Grundierung und Farbe, je eine große Dose 750/800ml
Das Gestell ist so einfach gehalten wie es geht: zwei Träger hochkant mit 16er Löchern zur Höhenverstellung drin, oben je einen kurzen Träger links und rechts vorgeschraubt, auch mit 16er Bolzen. Kleine Dreiecke aus 0815 Baustahl oder Profil in den Ecken sorgen dafür dass die Presse nicht in sich zusammenklappt wie ein Kartenhaus.
Hochwissenschaftliche Berechnungen:
Die Bolzen habe ich sogar kurz und überschlagsmäßig nachgerechnet. Eigentlich sollte man Schrauben ja nicht als Bolzen missbrauchen, aber was soll’s. Annährungsweise(!) kann man die Zugfestigkeit mit der Scherfestigkeit gleich setzen, wenn ich in Werkstofftechnik nicht komplett gepennt habe.
8.8er Schraube = 800N/mm². Eine M16er Schraube mit Teilgewinde hat einen Querschnitt (im Teil ohne Gewinde) von 200mm². 800N x 200mm² = 160000N Belastbarkeit. Eine Tonne sind 9806 Newton, also hält eine Schraube 16 Tonnen bevor sie abschert. Theoretisch. Wenn man behauptet Zug- und Scherfestigkeit sind gleich. Aber die Dimension stimmt auf jeden Fall. Da ich ja zwei Bolzen habe (jeweils am Kopf und am Auflagetisch) mache ich mir um die Bolzen keine Sorgen. Der Stahl des Gestells biegt sich vorher krumm.
Das Profil besteht aus S235JR aka ST37 aka Baustahl. Zugfestigkeit 370N/mm. Das Profil hat im Querschnitt ca. 950mm² Fläche. Das multipliziert mit der Zugfestigkeit ergibt 35 Tonnen bevor ein Träger in der Mitte auseinander geht.
Ja, ich weiß, bei den Verschraubungen sieht es etwas anders aus, aber die Auslegung ist durchaus vernünftig, da ich meine Presse ohne auf 6 Tonnen begrenzt habe. Was sich bis dahin noch nicht getrennt hat, ist den Gang an eine größere Presse mit befähigtem Personal wert 😉
Umbau des Hydraulikzylinders:
Ich wollte nicht, dass wie bei den käuflichen Billopumpen der Zylinder des Wagenhebers nach oben ausfährt, sondern wie bei einer echten Presse nach unten. Den Ebay-Chinesen stellt das vor unlösbare Probleme, weil die Pumpe des Wagenhebers dann Luft zieht – meistens ist schon bei 20 oder 30 Grad Neigung Feierabend. Wichtig ist auch die abschließende Lackierung, die die Druckkraft um mindestens 5 Tonnen erhöht 😀
Hier gibt es eine komplette Liste aller Teile die in einem solchem 0815 Heber verbaut sind: https://wiki.ece.cmu.edu/ddl/index.php/Hydraulic_jack
Fun Fakt: Chanshu Tongrun Auto, der Hersteller dieser China-Wagenheber, produzierte alleine in 2010 satte 10 Millionen Stück (!). Also allerbilligste Massenware, was den Preis erklärt.
Die Löcher in der Bodenplatte, die eigentlich für die Pumpe, den Öltank sowie das Überdruckventil da sind, müssen für den Umbau verschlossen werden. Idealerweise kann man den Zylinder abschrauben, bei mir gings (natürlich) nicht.
Dann Gewinde in die Löcher geschnitten, M5, und anschließend die außenliegenden Löcher zusätzlich noch verschweißt mit Elektroden für artfremdes Gussschweißen – normale gehen sicher auch. Wenn alle alten Funktionen stillgelegt sind, mittig unterm Kolben ein neues Loch bohren und eine Hydraulikverschraubung für „8L“ einsetzen, gibt es mit ¼ Zoll-keine-Ahnung-was und M16 x 1.5.
Damit ist der Wagenheber zum reinen Hydraulikzylinder umgebaut. Schlauch dran, Pumpe dran, eine oder zwei Federn um das ganze wieder zurückzuziehen.
Fazit:
So richtig viel Arbeit war eigentlich nur das bohren der unzähligen 16mm Löcher. Ich hab’s ja auf meiner Fräse gemacht, eine gute Standbohre tut es aber auch. Da ist man schon eine Weile beschäftigt. Wenn man den Wagenheber schon vorher vorbereitet hat, sollte der Stahlbauteil ohne Lackarbeiten an einem Wochenende über die Bühne gehen. Ich hab gewöhnlichen 1k-Kunstharzlack genommen, der Tage und Wochen braucht bis er ganz trocken ist – ist aber belastbarer als der Acryllack. Ansonsten geht 2k natürlich auch, wäre aber zu viel des Guten, soll ja bloß nicht rosten.
War ein tolles Projekt mit großem Nutzwert – zumindest für mich. Wenn man nicht wirklich regelmäßig mit Kugellagern oder Presspassungen in Kontakt steht, zählt eine Hydraulikpresse wohl zu den verzichtbaren Dingen im Leben. Für einmal Radlager auspressen geht man dann besser in eine freie Werkstatt oder einem Schrauber der eine solche Presse hat, dann sind nachher beide glücklich.
Gaba meint
Schönes Projekt! So etwas steht auch noch auf meiner Liste…
Grundsätzlich spricht doch aber nichts dagegen, den Stempelheber in aufrechter Position zu montieren, oder?
Simon Bäumer meint
Nein, spricht nichts dagegen, ist auch wesentlich einfach. Du solltest dann nur eine Eisenplatte unter dem Heber anbringen, weil die Gussplatte nur ca. 12mm stark ist (bei meinem 12to Modell). Daran kannst du dann auch einen Dorn direkt anschweißen oder einschrauben, je nachdem.
Gaba meint
Jap, so ist es geplant – eine kleine Stahlplatte unter dem Heber mit einem Rundstahl angeschweißt.
Weiß nur noch nicht so recht, wie ich den Hubteller oben an dem Stahlprofil befestige – schweißen halte ich da nicht für die beste Variante, wird ja kein St37 sein…
Da fällt mir schon was beim Basteln ein. Erstmal anfangen … 😉
Stefan meint
Hi du tolles Projekt, hab was anderes vor mit dem selben Wagenheber hätte da ne Frage ob es möglich ist nur einen Manometer mit tonnenanzeige anzubringen?
Simon Bäumer meint
Hi Stefan, in Kürze kommt noch ein bislang ungeplanter vierter Teil der Story 😉
Spoiler: Wagenheber war doch nicht so geil.
Klar, im Prinzip ja, nur ist die Tonnenanzeige ja auch nichts andere als eine Druckskala die schon umgerechnet wurde. Und dann musst du halt eins finden, was den gleichen Bereich abgedeckt – die Wagenheber gehen bis 600-650 bar für die volle Hubleistung.
Basti meint
Hi Simon,
tolle Anleitung! Spiele auch mit dem Gedanken eines Eigenbaues – aber welche Probleme sind denn mit dem Wagenheber aufgetreten?
mfG
Simon Bäumer meint
Der Wagenheber hat nur eine zienmlich bescheidene Zylinderführung – die ist halt einfach nicht zum Pressen gedacht. Und wenn man ihn falschherum einbaut, ist die originale Dichtpackung(wenn man das überhaupt so nennen darf) vollkommen ungeeignet. Also das nächste mal würde ich ihn wie bei den Ebay-Pressen in „Normal-Lage“ einbauen, oder eben direkt (wie ich es letztlich gemacht habe), auf einen anständigen Zylinder setzten. Die Ersparnis für den Ärger/Aufwand ist zu gering.