(veröffentlicht 17. März 2016, Update 1.6.2016)
Ein neuer Schraubstock ist wie ein neues Leben – oder so ähnlich. Bisher habe ich mit einem alten Stanley Schraubstock, sowie einem Proxxon Primus 100 gearbeitet. Der Stanley ist schön, aber doch zu klein und eignet sich damit nur bedingt. Der Proxxon Primus 100 ist ein tolles Teil und bringt 5kg auf die Waage – zum Fräsen taugt er aber nur bedingt.
Das Problem ist die wenig geführte bewegliche Backe, so das minimal ungleiche Teile kaum noch gehalten werden und sich beim Fräsen lösen. Ansonsten ein toller Schraubstock zum Bohren und für leichte Arbeiten, gerade die geringe Höhe ist bei Maschinen mit wenig Z-Hub oft entscheidend.
Nach einiger Suche bin ich zu einem Maschinenschraubstock “Maschine vise 100mm” gekommen, Fernostprodukt aus den Kleinanzeigen für den halben Neupreis. Wird auch von Optimum, Holzmann und wie die Importeure alle heißen vertrieben, ist in etwa wie dieser hier von Holzmann: Klick.
Gut, im Nachhinein wäre ich auch nicht bereit gewesen mehr für das Teil zu bezahlen, wie immer wundert es mich doch was für ein Schrott “made in China” so verkauft wird. Aber fangen wie vorne an. Eigentlich sieht er ja ganz nett aus, die Hammerschlagfarbe passt auf jeden Fall. Den Drehteller den man auf dem ersten Bild sieht, werde ich nicht verwenden, die Fräse hat ja jetzt schon zu wenig Z-Hub. Daher gibt es dazu keine Bilder, der bleibt wie er ist (und darf in irgendeiner dunklen Ecke verstauben).
Leider war auch bei diesem Modell Spiel sowohl horizontal als auch axial vorhanden, und alleine schon weil ich es immer mache, wurde auch der Schraubstock sofort zerlegt. Dabei kamen dann doch einige Mängel zu Tage, die für mich nicht tolerierbar waren. Nacharbeit vor dem ersten Einsatz mal wieder 😀
Der Gusskörper:
Angeblich Grauguss 25, was es wirklich ist – keine Ahnung. Auf jeden Fall wurden die Teile erst lackiert und dann bearbeitet, so viel steht fest. Im Prinzip nichts schlimmes, aber an so mancher Ecke ist dann doch noch Farbe abgebrökelt und abgesprungen, an zwei Stellen wurde offensichtlich nicht sauber entfettet, hier gab es minimale Rostspuren(Gut, durchrosten tut Gusseisen ja auf ewig nicht).
Was dann schon kapitaler ins Gewicht fällt, ist wie bei der Bändsage, eine falsche Höhedes beweglichen Körpers. Leider hatte der Chinese vergessen die Referenzflächen planzufräsen, deswegen musste ich das erst tun. Dann wurden der Körper um 0,5mm (!!!) in Höhe abgefräst. So hat das ganze etwa 3-5/100stel gewolltes Untermaß, sodass ich die Führungsleisten mit Messingfolie spielfrei einstellen kann. Auch wurde wohl aus Kostengründen auf die mittlere Schraube der Klemmleiste verzichtet, Platz wäre jedenfalls dafür da. (Hierzu sollte man erwähnen, das solche China Gerätschaften meistens Kopien guter Markenprodukte sind, aber an den (kosten)entscheidenden Stellen abgeändert werden). Also flux ein neues Loch gebohrt und neue Gewinde geschnitten. Ein Punkt weniger auf der Liste.(letztes Bild)
Nächster und noch erledigter Punkt: Das seitliche Spiel ist auch noch zu groß, etwa zwei Zehntel. Ich werde wohl den Gusskörper seitlich um ein paar Millimeter erleichtern und dort eine Leiste einsetzen, und seitliche Einstellschrauben montieren.
Führungsleisten
Die Führungsleisten waren die absolute Härte: billigster Baustahl, schief abgesägt und anschließend lackiert!?!?!?!?!?! Warum zur Hölle lackiert man ein Präzisionsteil, was auf einer anderen Oberfläche gleiten soll?! Weil die Lust & Zeit (noch) nicht für zwei neue Leisten gereicht hat, erstmal auf der Feile “plangeschliffen” und die scheußliche Farbe entfernt. Dann noch ein weiteres Loch für das nachträgliche Gewinde geschnitten(s.o.).
Trapezgewinde & Mutter, Führung
Wieder das gleiche Spiel: Ein elementares Teil, nach der Bearbeitung in den Topf mit schwarzem Lack geschmissen. Wenn ich den Bengel erwische, der das verbrochen hat, der baut danach in seinem ganzen Leben keine Schraubstöcke mehr…
Auch hier mühsam die Farbe aus dem Gewinde gebürstet. Die Mutter war nicht mal entgratet, das Gewinde sah aus wie durchgeschossen(leider kein Bild gemacht) und Späne von der Bearbeitung hat der Bremsenreiniger auch noch zu Tage gefördert. Also wieder Feilen, Putzen, entgraten.
Die Führungshülse, in der die Trapezgewindestange geführt wird, war auch überall, auch auf dem Flansch, lackiert. Wieder musste das Sauzeug entfernt werden, dabei sieht man auch schön wie schief das Teil war (Farbreste in beiden Ecken), was sich nach den ersten paar Feilhüben herausstellte. Also so lange gefeilt, bis es halbwegs plan war. Dann Innen die Farbe entfernt, die Spindel nachbearbeitet weil die Buchse ohne das krumme Metall und die Farbe natürlich zu kurz war. Über das Fett, das eher die Konsistenz von Teer hatte, sage ich mal besser nichts. Wieder eine Baustelle abgearbeitet.
Schrauben
Wie immer bei Produkten aus Chinesien, wandern sämtliche Schrauben die ich sofort ersetzen kann, ungesehen in den Schrott. Die taugen vielleicht für als Konservendose für Fischfilets, aber nicht zum tragen von Lasten oder verbinden von belasten Teilen. “Weichbleischrauben” wie man so schön sagt. Schon das die Hersteller nur 4.8er eingedreht haben, spricht schon Bände. Da die Chinesen aus Kostengründen aber idR nicht härten, halten die Schrauben nicht mal diese Norm. Da Baumärkte (ebenfalls aus Erfahrung) weder gute (8.8, 10.9 oder 12.9er) Schrauben führen, noch welche aus Deutschland, ging es zum lokalen Eisenwarensupermarkt. Genialer Laden geführt von einer alten Dame, hat ALLES. Nicht billig,aber Plunder gibts nicht, testen vor Ort selbstverständlich. Also gleich mit reichlich Qualitätsstahl eingedeckt und zurück an die Arbeit.
Kurbel
Auch hier gab es Farbe direkt auf den Guss, sogar ziemlich dick. Dummerweise auch in den Sechskant, so dass sich dieser zunächst gar nicht aufstecken lies. Mit der Feile also bearbeitet und die Spindel am Schleifbock entsprechend abgeschliffen, bis es passte. Das die komische Farbe an allen Ecken abplatze, verbuche ich auch mal unter “Fernost-Qualität”
Da ich zudem einen Schwengel ziemlich vermisste, auch hier schnell ein Loch gebohrt und Gewinde geschnitten. In der Drehbank-Restekiste fand sich ein passendes Stück Baustahl, also M6 aufgeschnitten und mit Locktite gesichert. Auf Lack kann ich verzichten, der Schraubstock arbeitet ja quasi “unter Öl”, Rost wird er in den nächsten Jahren jedenfalls nicht erleben.
***Update Juni 2016***
Leider war es mit den bisher beschriebenen Verbesserungen nicht getan, der Schraubstock schlockerte besonders radial ziemlich stark. Da der Proxxon Primus das auch schon tat, galt es dies unbedingt zu vermeiden. Also durfte der Guss noch eine Weile reifen, bevor ich den Schraubstock gestern wieder ausgegraben hatte.
Klemmleiste
Aus “Fremdfertigung” kam diesmal ein Stückchen PräziFlach, das als Klemm/Einstellleiste für das seitliche Spiel dienen sollte. Da die Maschinenbauhelden in Fernost darauf (vermutlich aus Kostengründen) verzichtet hatten, war auch kein Platz dafür vorgesehen. Aber hey, wozu hat man denn 600kg Alteisen rumstehen? 10er Schruppfräser drauf und Späne machen.
Da 2mm für die Stärke der Leiste + ein bisschen Luft zum einstellen weichen mussten, konnte man nachher die Gewindegänge sehen, Fossilien quasi 😀 Anschließend auf der Rückseite(also eigentlich an der Seite) vier Taschen für die Einstellschrauben und deren Kontermuttern eingefräst.
Damit ging es zurück auf die Bohre, um in interessanter Aufspannung zunächst die Löcher und anschließend die Gewinde (M4) in den Schlitten zu schneiden.
Mit eingebauter Trapezgewindemutter konnte nun das seitliche Spiel perfekt eingestellt werden, und anschließend mittels Muttern sichert gekontert.
Führungsleisten
Da man eh schon am Bohren war, schnell noch neue Löcher für die untere Führungsleiste gebohrt und ebenfalls mit Gewinden versehen. Diese mussten etwas kleiner ausfallen, da die übrig gebliebene Wandstärke nicht mehr hergegeben hat. Aber was soll’s, wird schon halten, wer wagt gewinnt.
Nun konnte die Einstellleiste sowie die Führungsleiste mit neuen Löchern versehen werden. (Clevererweise hätte man das große Loch in der Mitte gar nicht erst in die Leiste bohren müssen, aber so weit habe ich im Frühjahr noch nicht gedacht 😉 Da sich die Führungsleisten nicht so bequem in der Höhe verfahren lassen, erfordert das Einstellen des Spiel viel Geduld und Messingfolie. Also die Yogastunde kann man nach sowas echt schenken, mit meinem Blutdruck nachdem alles 27x zusammengefrickelt hatte, konnte man wahrscheinlich anständig Wasser kochen.
Danach noch flux die andere Seite mit ähnlichen Werten unterlegt, diesmal aber die Folie nicht gestanzt sondern gebohrt. Ohne Vorbereitung klappt das nicht wirklich und die Folie zerreißt oder wickelt sich um den Bohrer (für euch getestet), aber legt man sie zwischen zwei Holzstück und bohrt einfach durch klappt es ganz anständig. 🙂
Endmontage
Nach insgesamt fünf weiteren Stunden bohren, Gewindeschneiden, einstellen, fluchen, unterlegen, fluchen, fluchen fluchen, kurz zusammenschrauben & fluchen war das Werk dann vollbracht. Spielfrei eingestellt fährt der Schraubstock nun über sein Bett und spannt einwandfrei.
Aber es gibt ja kein Projekt ohne Rückschläge:
Normalerweise befestige ich alles mit M10er Schrauben und Gewindestangen auf dem Frästisch. Auch mit einem weniger scharfen Auge kann man nun erkennen dass die Schraubenköpfe der Führungsleiste auf Kollisionskurs mit der Spannschraube sind. Auch das Genie denkt nicht an alles. Vermutlich werde ich also in den nächsten Tagen extra kurze Schrauben für den Schraubstock anfertigen, auf das unterlegte Flacheisen verzichten und die Unterlegscheibe durch eine größere ersetzen (die Mutter hat auch nur SW16 statt 17). Und dann freue ich mich schon darauf, dass genau wenn das nächste Fräsprojekt ansteht, eine der beiden Custom-Schraubstock-Befestigungs-Turbo-Deluxe-Schrauben fehlen wird.
Man(n) kann halt nicht alles haben 😉
Fazit
“Kann man schon manchen, dann ist es aber scheiße” trifft die Sache ganz gut. Der Schraubstock an sich ist eine meiner Meinung nach recht passable Kopie eines anständigen Designs. Die Ausführung made in China allerdings eine Katastrophe. Man merkt, so ein Teil wird irgendwo in knapp zwei Stunden zusammengedroschen, eher mit dem Vorschlaghammer als mit der Feile bearbeitet. Von nicht mittigen Löchern, billigen Schrauben und schlechten Lack rede ich mal gar nicht. Die Höhe stimmt nicht, die Breite stimmt nicht, die (quasi nicht vorhandenen)Führungen waren bestensfalls reif für den Schrott.
Wer sich so ein Teil antuen will, das unter dem Namen “Maschine Vise 100mm”verhökert will, sollte zumindest auf entsprechende Werkzeuge zurückgreifen können, um das Teil in arbeitsfähigen Zustand zu bringen. Wer glaubt, so einen chinesischen Schraubstock ohne Nacharbeit verwenden zu können, liegt kilometerweit daneben…
Warum ich sowas dann trotzdem tue? Maschinen restaurieren und reparieren ist schon längst zum Hobby geworden, aus der Not wird Perfektion. Also, ab an die Werkbank und die Feile schwingen 😉
Marcel Giesen meint
Hallo Simon,
vielen Dank für den Beitrag.
Bin echt immer wieder verwundert, welches handwerkliche Geschickt und welche Gerätschaft in so manch einer Hobby-Werkstatt zu finden ist.
Zu dem Maschinenschraubstock “made in china” ist nur wie bei vielen Produkte leider zu sagen: eine billige Kopie eines möglicherweise deutschen Qualitätsprodukt!
Hast das Ding aber insgesamt doch sehr gut gepimpt – Hut ab dafür!
Gruß,
Marcel
Daniel meint
Geht eben doch nichts über echte deutsche Wertarbeit 😉 Schau dir evtl. mal einen Matador, Heuer oder Garant Garant Schraubstock an. Die sind da schon deutlich besser in Sachen Präzision, Spannfestigkeit und Verarbeitungsqualität. Natürlich auch teurer. Aber: Wer billig kauf , kauft meist zweimal heißt das gute alte Sprichwort.
Aber Top dass du Ihn wieder gut auf Vordermann gebracht hast. Respekt.
(Edit) Von der Moderation von Reflinks bereinigt. Fachlicher Kommentar: Die Schraubstöcke bei dir sind normale Schraubstöcke, aber keine Maschinenschraubstöcke.
Berlan, Proxxon, Wabeco sind alle aus Fernost.
LG
Flamberger meint
Erstmal Lob für deine tolle Website! Gefällt mir wirklich gut.
Was mir aber beim durchlesen des Flott, Myford und eben diesem Beitrag aufgefallen ist, ist das dein hang zum Machochismus schon sehr gross sein muss. 🙂
Bei der Myford konnte ich es ja noch verstehen. Die hätte ich auch gerettet! Aber die Flott hätte ich nicht geschenkt genommen. Nicht bloss da sie eine Ruine war sondern einfach da ich nicht gross der Fan von Flott bin. Aber gut wenn man es von Anfang an als Projekt betrachtet….warum nicht.
Aber hier beim Schraubstock frage ich mich schon warum. Hier in der Schweiz bekommt man sehr oft für wenig Geld gute gebrauchte Maschinenschraubstöcke von Schaublin, Aciera, Röhm und co. Ist das in Deutschland anders?
Nichts für ungut und Respekt vor der Leistung. Aber nachvollziehen kann ich es zumindest beim Chinaschrott nicht.
Simon Bäumer meint
Nein, man muss schon dazusagen, sowas wie die Bohrmaschine kaufe ich mir auch nur so, weil ich es so haben will – oder so ähnlich. Der Weg ist das Ziel. Bei
Ich mag meine Flotts, klar, die obligatorische ALzmetall steht noch noch aus, mal schauen wann es dazu kommt, aber da ist jeder Jeck verschieden.
Was den Schraubstock angeht:
Den hab ich halt recht günstig bekommen, und hier in Deutschland bekommst du keine brauchbaren Schraubstöcke günstig oder zu fairen Preisen oder wenn, dann einmal alle hundert Jahre. Entweder alles verrostet, ebenfalls Chinakram oder Industrieschraubstöcke die genau so fertig sind wie meine Bohrmaschine es war 😉 Die wenigen Markenteile werden dann – Zustand egal – für Mondpreise angeboten, da kann man auch gleich neu kaufen. Ne, also einen guten Maschinenschraubstock, der halbwegs flach ist mangels wenig Hub in Z, und dann noch zu einem fairen Kurs für beide Seiten, da warte ich noch heute drauf.
Klar, der Chinese ist und wird kein Bringer mehr, aktuell tut eher seinen Zweck, das meiste was ich fräse ist ohnehin so sperrig, dass es direkt auf dem Tisch bearbeitet wird. In der Zerspanungsbude wurde das Modell schon ein paar Mal genannt und immer gelobt, angesichts dem Preis den ich dafür gezahlt habe, dachte ich mir, könnte ich es mal probieren. Das Ergebnis siehst du ja – hat sich nicht gelohnt.
LG Simon