Da in der Zerspanungsbude der allgemeine Trend bezüglich defekter Vorschübe dahin geht, betreffende Teile stillzulegen oder durch Stepper/Scheibenwischermotoren zu ersetzen, gibt es heute einen neuen Reparaturbericht.
Um es kurz zu machen: Kaum etwas geht mir mehr auf den Keks, wie monotones Spieluhr kurbeln, um eine halbwegs schöne Oberfläche zu erreichen oder lange Wege zu drehen/fräsen. Dafür haben kluge Menschen an der Drehbank die Zug- und Leitspindeln erfunden, an den meisten (Industrie)Fräsen gibt es dafür separate Vorschübe.
Einen solchen hatte auch meine Gualdoni Fräse beim Kauf, jedoch war das Getriebe demontiert und lag auf dem Frästisch, eine Welle fehlte komplett, ebenso der Deckel und ein paar andere Teile. Nach zwei Jahren Handbetrieb (Manuel macht den Vorschub, danke MANUEL!) war jetzt die Zeit gekommen bei Bullenhitze das Getriebe zu vollenden.
Ursprünglich dachte ich, nur die fehlende Welle müsste neu erstellt werden, aber daraus wurden leider alle drei Wellen, da die anderen durch den Crash, den das Getriebe wohl gefahren hat, alle Wellen zerstört/verbogen waren. Eine bröselte mir bei der Demontage entgegen.
Die vorhandenen Zahnräder waren aber noch in Ordnung, Modul 1.5 aus Stahl. Also wurde in Excel jongliert und anhand der Motordrehzahl, der vorhandenen Zahnrädern und der Vorschubtabelle die fehlenden Räder berechnet. Ich sag mal so – der Italiener war teilweise recht optimistisch und hat großzügig gerundet 😉
Dann endlich, nachdem die neu gedrehten Wellen schon wieder Flugrost ansetzen, wurden neue Zahnräder gekauft. Leider drei Nummern zu dick, aber wozu hat man denn eine Drehbank? Also einen HSS Meißel geschärft und geladen, und das Zahnrad ordentlich runtergedreht.
Als es dann passte, musste eine neue Führungsmuffe her, ebenfalls Dreh/Frästeil, aber eigentlich nichts Wildes. So lies sich das Zahnrad dann auf einer Testwelle schon wieder per Hebel einkuppeln. Der gleiche Zahnradzerknechtungsvorgang wurde auch noch mit dem zweiten Rad durchgeführt, bis auffiel, dass beide kraftschlüssig verbunden sein müssen.
Kleben? Man klebt keine Dinge die was aushalten müssen.
Schweißen? Wird eh krum.
Verstiften? Kein Platz.
Zusammenschrumpfen? Läuft!
Also beide Räder auf gleichen Durchmesser gedreht, und eine Buchse mit tüchtiger Klemmpassung gebastelt. (Augenzeugen berichten, die Buchse hätte möglicherweise auch alleine durch aufschlagen gehalten, da die Klemmung doch mehr als reichlich war).
Dann den Flammenwerfer angeworfen und die Buchse bis zu Rotglut angelassen und auf das erste Zahnrad gesetzt. Das zweite wurde dann Sekunden später in einer wilden Zangen-Schraubstock-Ghetto-Pressaktion auf ewig mit seinem gezahnten Partner verbunden. Sieht doch sogar hübsch aus, das Stahlblau, oder?
Probesitzen mit beiden Rädern: Klappt auch.
Passfedernut stoßen
Also die neue Welle noch mal ein wenig angepasst, bis sich die Problematik der Kraftübertragung stellte. Ohne Stoßkopf würde das Erstellen der Passkeilaufnahme wirklich elendig werden, aber was soll’s.
Natürlich mal wieder das erste Mal mit einer neuen Methode, kein Testobjekt, kein Werkzeug, muss 100%ig funktionieren („…trink-nen-großen-Schluck-Leistungsdruck…“).
Wieder an die Drehe, eine abgesetzte Welle hergestellt, vorne M5 mit abgedrehtem Schraubenkopf drauf. Durchmesser der Welle 8mm, Bohrung im Zahnrad 12. Wer schon das ein oder andere Mal Innenausgedreht hat, weiß was das heißt. Zumal diesmal das Werkzeug eher durch den Stahl geknecht wird, als sauber geschnitten.
Ein alter M3 Gewindeschneider aus der Grabbelkiste wurde kurzerhand abgebrochen und aus seinem Schaft ein Präzisionsräumkeil © zurechtgeschliffen. Spanwinkel? Joa, schaut gut aus. Freiwinkel? Hmm, sieht scharf aus.
Also ab dafür, gab ja nur das Werk vieler Stunden zu ruinieren.
Der Kraftaufwand beim manuellen Stoßen auf der Drehbank ist wirklich enorm, gut, könnte zum Teil auch am Werkzeug liegen. Aber, ein Ansatz war erkennbar. Knapp eine Stunde später war das Werk vollbracht: Ein sauber geräumter Schlitz im Doppelzahnrad. Das Werkzeug kommt auf jeden Fall zu den übrigen Sachen, und das Projekt Stoßkopf bekommt mehr Prio zugewiesen….
Probesitzen mit der richtigen Welle, in die noch ein passender Schlitz auf der Fräse gefräst wurde. Die Passfeder hat 5x5x100 oder so, hätte aber noch 2-3mm länger sein können. Handgemessen und Gesägt mal wieder. Aber fluchtet und passt alles. Tropfen Öl drauf und es lässt sich fast wie einem echten Getriebe verschieben.
Getriebe Montage
Also den Getriebekasten wieder montiert, die neue Welle eingebaut, neue SKF Lager und Simmerringe verbaut, einen Wellenausgangsadapter(hier im Bild) aus Alu gebastelt und und und… Weil die alte Trapezgewindestange in X-Richtung ohnehin fast durch war, wurden gleich X &Y mit neuen Stangen ausgerüstet. Abdrehen und einpassen.
Wie verbindet man nun Getriebe und Welle?
Genau, so primitiv und stabil wie möglich. Buchse gedreht und verstifftet(was ein Montagekrampf so halb unterm Tisch hängend!)
Funktionstest
Wie geht es eigentlich dem Motor? Wicklungsschluss? Läuft noch? Natürlich hat der Dangerseeker bislang von einem Funktionstest abgesehen, aber nach dem antüdeln des AEG Dahlander Ungeheuers zeigte sich erfreuliches: De Mascheng löööff!
Jetzt hat das Bedienpult auch wieder etwas mehr Sinn, fehlt nur noch die Kühlschmiereinrichtung(schon in Planung!), dann geht wieder alles.
Abgebremst bzw eingestellt wird der Verfahrweg über zwei Trapezförmige Nutensteine, die über einen Schalterkasten rumpeln und dort die Taster auslösen(die silbernen Knöbbe…). Dort wo jetzt die Schraube sitzt, sollen demnächst noch unverschiebbare Endanschläge hin – ich fürchte ein falsch eingestellter Anschlag hat dem Getriebe in seinem früheren Leben das Leben gekostet – der Antrieb hat alleine 0,5 Drehstrom KW.
Noch schnell die Schalttabelle verinnerlicht – vier Gänge mit je zwei Geschwindigkeiten, dann wieder flüssiges Gold in den Kasten gefühlt und aus einem Stück Stahlblech einen Deckel gezaubert. Kennt man ja, ein Provisorium hält immer am längsten 😉
Dann noch ein paar Tests gefahren und der Maschine beim Fräsen zugeschaut. So muss das! Wieder einen Punkt auf der Liste abgehakt, demnächst irgendwann vielleicht geht es weiter, wenn der Mond gut steht – ihr kennt das.
Max meint
Wieder sehr anschaulich und unterhaltsam beschrieben. Gefällt mir!
Nscale meint
Dangerseeker? Na zdorov’ye. Saubere Arbeit Simon, hätte ich so nie hin bekommen – bzw. keine Idee bezüglich der Umsetzung. Bin immer wieder überrascht, das ist genau der Grund warum ich Dich jeden Tag aufs neue auf YouTube abonnieren würde und du zu so etwas wie einem Kulturgut ernannt werden solltest. Viel zu viele Menschen werfen gute Sachen weg. Du rettest sie, das rechne ich dir an.
Simon Bäumer meint
Ernennung zum Kulturgut, dass hätte schon was. 😀
Bei dem Projekt waren es mehr so die einzelnen kleinen Probleme, die die Sache kompliziert gemacht haben, und nicht die Idee der Umsetzung im großen und ganzen. Dies passt nicht, das passt nicht – das Teil will auch nicht, hier fehlt ein Millimeter, und so weiter und so weiter.
Schon nach ein paar Tagen will ich nicht mehr ohne Vorschub, der Mensch ist doch eben ein faules Tier.
Oli meint
Wieso gibt es zu dem Schweißgerät kein Video? das hätte mir sicher gefallen und ich würde sicher auch mal ein umbau davon machen.
Simon Bäumer meint
Hi Oli!
das Schweißgerät war einer der Baustellen, die sich über Tage und Wochen gezogen hat. Work in Progress eben. Sowas zu filmen ist extrem aufwendig, deswegen habe ich davon abgesehen.
Jürgen Göbel meint
Super Klasse der bericht !!!
Hab jetzt deine seite noch nicht komplett auswendig gelernt aber du bist doch bestimmt kein gelernter Florist oder ;-))
gruß
Jürgen