
Das Unmögliche ist passiert! Ich habe eine Fahrradnabe mit Normlagern gefunden – und zwar für ganz billich Geld 😀
In den Kommentaren zum meinem alten Artikel hatten mich ja einige Leser bereits darauf hingewiesen, dass es sehr wohl solche Naben zu kaufen gäbe – auch wenn diese meist dreistellig Geld kosten. Nun, die Welt hat sich fünf weitere Male um die Sonne gedreht und zack – gibt es nun billige Naben mit Normlagern zu kaufen, die Zeit der schäbbigen Konuslager dürfte damit endgültig gezählt sein.
(Vermutlich bin ich auch bei diesem Thema einer der wenigen User, die dem Markt 10 Jahre voraus sind – war beim Thema Scheibenbremse schon genau so, ist aber ne andere Story).
Leider war die in den Kommentaren angesprochene Nabe der Weltmarkt “Nubuk” aus Fabrik Nummer 17 nicht lieferbar. Nach vier Wochen Warterei und Null-Reaktion des Händlers auf meine Mails ist mit die Hutschnur geplatzt, Paypal-Fall eröffnet, Kohle zurück, danke für nichts.
Auf eBay sollte ich aber fündig werden: 15€ inklusive Versand für eine Nabe mit Normlagern ist ein Spitzenpreis! Die musste ich haben, nur mal zum schauen! Wenige Tage später trudelte der Gerät der Firma “markenlos” bei mir ein – ungepolstert im Großbriefumschlag – wenn schon billig, dann auch richtig.
Der erste Eindruck
Nun, die Nabe ist schwarz, Steckachse mit Schnellspanner, dreht sich ganz passabel. Seitlich sind zwei Gummistopfen auf die Achse gesteckt, die zudem gröbste Dreck von den Lagern fernhalten sollen – sieht doch schon mal gar nicht so übel aus 🙂
Dafür war die Nabe nicht so ganz neu, sondern wurde scheinbar schon einmal ein- und wieder ausgespeicht, wie die Abdrücke im weichen Aluminium verraten. (Ich vermute, dass die Achse wohl gegen ein Modell mit Scheibenbremsaufnahme getauscht wurde, und daher übrig war).
Die Küchenwaage quittiert ein Gewicht von 222g mit Steckachse, und 167g für die nackte Achse. Zum Vergleich: eine normale Achse ähnlicher Bauart ist mit 218g / 168g kaum leichter bzw gleich schwer.
6000-2RS – Das Glück hat einen Namen

Wie der Schrauber von Welt schon längst an der Überschrift erkannt hat, verrichten bei der Nabe zwei Rillenkugellager vom Typ 6000-2RS ihren Dienst links und rechts in dem Aluminiumkörper.
Fangen wir mit dem einfachen Teil an: 2RS
2-RS steht für Kunststoffdeckscheiben auf beiden Seiten – und bedeutet NICHT wasserfest. Die Scheiben dichten natürlich ganz gut gegen Spritzwasser und leichten Dreck ab, Wunderwaffen der Dichtungstechnik sind sie hingegen nicht. Brauchen sie aber auch nicht zu sein, wenn die Konkurrenz auf Blechscheiben mit einem Spaltmaß von 1mm setzt – soviel zum Maßstab. Für eine Fahrradanwendung halte ich diese Dichttechnik für absolut ausreichend. Für 3/4tel aller Anwendungen wirds reichen, wer wochenlang durch den Monsumregen radeln will, sollte ggfs neue Lager einpacken. Aber grundsätzlich schon mal eine gute Sache.
Tragzahlen und Kennziffern
Die Lager stammen von “Suzumi” oder sind Fälschungen dieser Marke – man(n) weiß es nicht! Naja, jedenfall hier die Eckdaten eines Din-6000er RiKuLas:
dynamische Tragzahl(C): 4,75 kN
statische Tragzahl (C0): 1,96 kN
Grenzdrehahl 40.000 UpM
Axiallast: >= 0,5 (C0) ~ 1 kN = 102kg
In der Praxis bedeutet das bei einem 29″-Rad und Tempo 30 knapp 220 Umdrehungen in der Minute, die Drehzahl ist also schon mal kein Problem. Kommen wir zur Tragzahl. Die statische Tragzahl sagt aus, wie hoch die Kraft in Ruhelage sein kann, bis zu der das Lager keinen Schaden nimmt. 1kN sind 102kg, ergo kann man 200kg auf ein einziges Lager stellen – und die Achse hat ja zwei davon.
Nicht so pralle ist die Axiallast, also der seitliche Schub auf das Lager, den es verträgt. 0,5 x C0 deutet hier eine Last von 100kg, was – zumindest auf ein Lager gesehen – wohl zu wenig ist. Fährt ein Fahrer, der mit Rad sagen wir runde 100kg auf die Waage bringt, bergab und zieht dann eine enge Kurve, liegt die wirkende Kraft schnell beim 2,5 fachen des statischen Gewichts. Nun sind ja auch hier in der Achse ja zwei Lager drin und dennoch könnte man meinen, ist immer noch ein bisschen sehr knäpplich ausgelegt – mein Dozent für MaschBau sagte(und prüfte in Klausuren) zur Lagerauslegung immer: “Tragzahl ermitteln, 20% mechanische Reserve draufschlagen und mit der neuen Tragzahl nun das passende Lager aussuchen”. Und wir sind hier jetzt ja noch 20% UNTER der Last, nicht drüber 😀
Eine Lebensdauerberechnung mache ich mal, wenn ich ein bisschen zu viel Zeit habe…
Die Fahrradindustrie nimmt noch schwächere Lager…
Jetzt war ich schon an meiner Wunder-Nabe am zweifeln, und dachte mir, schauste mal was die Profis aus dem Fahrradbereich so nehmen. Die werden das theoretische Blabla in mehreren Alpenüberquerungen sicherlich unter Beweis gestellt haben, nen Prüfstandslauf unternommen usw. Und was nimmt ein Premium-Hersteller wie DT Swiss? Noch kleinere Lager! 61803-2RS um genau zu sein.
Dessen Tragzahlen:
dynamisch (C): 2,03 kN
statisch (CO): 1,27 kN
Axiallast: >= 0,5 (C0) ~0,635 kN = 65kg
Wohlbemerkt bei einer Nabe, die für 120-130€ über den Tisch geht, und nicht für 15€ inkl. Versand!
Fand ich schon eine interessante Erkenntnis. Das Lager was der Hersteller sich ausgesucht hat, hat eine größere Bohrung, sprich kleinere (aber mehr) Kugeln, und baut wegen der kleineren Kugeln auch schmaler. Plus es gehen logischerweise auch dickere Achsen durch, was im MTB Bereich von Vorteil ist.
Scheinbar kann es mit der Axiallast gar nicht so schlimm sein, wenn die großen dieser Welt noch kleinere Lager nehmen. Soviel zum Thema achso-geringe-Axiallast, und man könne dem nur mit vollkugeligen Lagern beikommen!
Die Achse und übrige Vorkriegsrelikte
Ich hatte bei meiner Billo-Nabe ehrlich gesagt mit einer Gewindestange als Achse gerechnet – von der Steckachse war ich etwas überrascht (gut, ich hätte auch die Beschreibung des Verkäufers ganz lesen sollen, was solls :D). Die Achse hat für eine Fahrradnabe ja nicht nur die Aufgabe, die Nabe im Rahmen zu lagern, sondern auch die beiden Lager (leicht) gegeneinander vorzuspannen, um diese spielfrei einstellen zu können, damit sich die wirkende Kräfte auf beide Lager verteilen.
Die Achse bei meinem Qualitätsprodukt hat jeweils ein Stück Gewinde für die Konterung, dahinter den Lagersitz(Passung eher so Schiebesitz), sowie einen Anschlag. Dahinter ist die Achse dicker, vermutlich um der Durchbiegung vorzubeugen und natürlich komplett hohl gebohrt für die Steckachse.
Mit dem Messchieber gemessen komme ich auf genau 64mm von Anschlag zu Anschlag, die Lager sind je 8mm breit, die komplett montierte Achse misst 80mm in der Breite – nach Adam Riese bleibt da wenig Raum für Vorspannung, und so fühlt es sich auch nicht wirklich an. Man könnte jetzt hingehen und die Anschläge je ein paar Hundertstel abdrehen oder den äußeren Lagerring unterlegen, aber come on, das ist ein Fahrrad.
Prähistorische Gewinde- und Muttern
Natürlich hat man es sich nicht nehmen lassen, die Lager mit zwei 15er Muttern zu sichern, während die äußeren Muttern mit 17mm eine handelsübliche Schlüsselweite aufweisen. Ich begreif es einfach nicht, was diese lästigen 15mm sollen. Ich habe (natürlich) einen 15mm Schlüssel, aber den brauche ich einzig und alleine beim Fahrrad oder nehme ihn auf größere Radtouren mit, weil man einen 15er nicht mal so eben im Baumarkt kaufen kann, sollte man doch mal an die Achse müssen.
Zur Herkunft dieses Teufelszeugs: Die Naben aus der Zeit vor der DIN-Normung hatten Gewinde von 10,3 und 10,5mm (statt 8mm oder 10mm zu nehmen. Daraus resultiert die beknackte 15er SW.
M8 — SW 13mm (mittlerweile SW 12)
M10 — SW 17 (mittlerweile SW16)
M10,5 — SW 15 – die Dinosaurier wollen ihre Schlüsselweite zurück
Einfach eine SW14 nehmen, das Material hält es locker, die Schraubenschlüssel liegen in jedem Set beim Aldi bei. Aber wäre zu einfach, weil würde ja einfach dem Maschinenbau entsprechen. Und da man ja schön das eigene “Profi-Fahrrad-Werkzeug” in Kunterbunt aus Weichblei und gesintertem Straßendreck verkaufen muss, steht man jeder Normierung kritisch gegenüber. Ich rechne hier zu meinen Lebzeiten nicht mehr mit ernsthafter Verbesserung.
Der Praxistest muss warten
Leider kann ich die Nabe so nicht wirklich verwenden: Sie hat keine Centerlock-Aufnahme für meine Scheibenbremse 🙁
Achsen, die Normlager und solch eine Aufnahme haben, habe ich in so günstig noch nicht gefunden. Ich werde aber dran bleiben – sobald es welche zu kaufen gibt, rüste ich um, versprochen – denn abgerechnet wird zum Schluss!
Hi,
um meine drei Laufräder (bis 15 Jahre alt) nicht wegschmeißen zu müssen, hätte ich gern sechs Lagerschalen 25 mm für hinten. Wo sind die noch einzeln zu kriegen?
Die 250er Lagerschalen hätte ich auch gerne. Bei älteren Laufrädern lassen sich siese, anders wie hier verneint, ausschlagen und tauschen. Wenn mann sie denn bekommen könnte 🙁
Hallo,
bezüglich der zulässigen Axiallast brauchts Du Dir meiner Meinung nach keine Sorgen zu machen. Bei einer Kurvenfahrt heben sich Zentrifugal- und Zentripetalkraft gegenseitig auf. Die axiale Belastung des Rillenkugellagers ist somit gleich null. Ansonsten würde ja das Fahrrad umkippen.
MfG Peter
Guter Einwand. Als Praktiker würde ich sagen, nicht ganz gleich null, weil man ja auch schon mal “schief” bei langsamen Tempo fährt. Aber für alles dynamische passt es natürlich.
VG SImon